Im Einsatz
Begeisterung oder Rückzug
 
Wer einmal ein Rennen aus der Position der Streckenposten erlebt hat, hat nur noch zwei Möglichkeiten: Begeisterung oder Rückzug.
Die begeisterten Frauen oder Männer erleben in jeder Veranstaltung neue Situationen, auf die meist in Sekundenbruchteilen die richtige Reaktion "kommen muss".
Die Grundlagen hierzu werden in den Sportwart-Seminaren gelegt; die Routine entwickelt sich über erste Einsätze in Begleitung erfahrener Kollegen.
 
 
Jetzt muss es schnell gehen - sprinten ist angesagt Anhängen eines Formel-Fahrzeugs an den Berge-Traktor
 
Solche Erinnerungfotos haben auch für langjährige Sportwarte Seltenheitswert. Wenn die Strecke durch Öl hinter der Kurve für die Fahrer unberechenbar wird, denkt keiner am Posten ans Fotografieren. Bei vielen Veranstaltungen ist es sogar ausdrücklich verboten.
 
  Im übrigen würden sich bereits die Sportwarte auf der Strecke "bedanken", wenn der Kollege, der sie sichern soll, mit der Kamera anstatt der gelben Flaggen hantiert.
    Absicherung des Kollegen mit der gelben Flagge
 
 
 
Weitere Bilder von unseren Einsätzen oder interessanten Veranstalltungen befinden sich in unserem Fotoalbum
Sollte 'mal einer der vielen Fotografen einige Fotos oder gar einen ganzen Film für unsere Arbeit übrig haben, würden wir diese Bilder gerne in unserem Fotoalbum veröffentlichen.
 
 
Die Sportwarte (manchmal auch als Marshals oder Streckenposten bezeichnet) werden in den Berichten der Motorsportpresse nur selten erwähnt. Die Seiten werden mit Ergebnissen, Analysen, Zitaten und Fotos gefüllt. Klar - am Erfolg eines Rennfahrers haben die Streckenposten sicherlich den kleinsten Anteil.
Schade aber trotzdem, dass die vielen Helfer, die für ein Taschengeld bei jedem Wetter am Streckenrand stehen und Teile ihres Urlaubs opfern, so selten erwähnt oder mal auf einem Foto gezeigt werden. Und wenn man den Damen und Herren Sportwart dann mal ein paar Zeilen widmet, geht es oft darum, dass sie zuviel oder zuwenig Flaggen gezeigt oder sich sonstwie falsch verhalten haben.
Eine der seltenen Ausnahmen - nämlich einen positiven und sachlich richtigen Bericht über unsere Arbeit - haben wir in der
Auto-Zeitung, Heft 18/98
gefunden ! Ein Link auf diesen Bericht würde leider nur so lange funktionieren, wie der Report im Online-Archiv dieser Zeitung verbleibt - daher haben wir uns entschlossen den Text direkt hier anzubieten :
 
 
Auf dem Posten
Ohne die Arbeit der Streckenposten stünden die Räder des Formel 1-Zirkus still. Die AUTO-ZEITUNG begleitete die freiwilligen Helfer an einem Rennwochenende.
Blau, Gelb und Rot, das sind die Lieblingsfarben der Streckenposten respektive die Farben der von ihnen am häufigsten benutzten Flaggen. Mit ihnen warnen sie die Piloten vor herannahenden Fahrzeugen und Gefahrensituationen oder signalisieren einen Rennabbruch.
Die Arbeit der Streckenposten wird kaum wahrgenommen - allenfalls, wenn sie negativ auffallen. Doch ohne sie wäre kein Grand Prix denkbar. Schliesslich sind die Helfer an der Strecke nicht nur für das Flaggenschwenken zuständig, sondern auch für die Bergung von Unfallautos und die Sicherung der Unfallstellen. Darüber hinaus beobachten sie die Vorkommnisse auf der Strecke, melden Regelverstösse umgehend der Rennleitung.
Für ein F1-Rennen wie den Hockenheim-GP sind dafür nicht weniger als 273 Helfer im Einsatz. Sie verteilen sich rund um den in 50 Abschnitte aufgeteilten, 6,823 Kilometer langen Kurs. Jeder dieser 50 Abschnitte ist mit mehreren Personen besetzt. Darunter auf jeden Fall ein Telefonposten, der außergewöhnliche Vorfälle sofort meldet, eine Person, die auf Funkanweisungen von der Rennleitung Flaggensignale an die Piloten weitergibt und eine Person mit Feuerlöscher. Je nach Position des Postens steht dort noch mindestens ein weiterer Helfer auf Abruf, damit das Team im Falle eines Unfalls so umfassend wie möglich reagieren kann.
"Unsere Arbeit ist mit viel Wartezeit verbunden", erzählt Rene Schurig, "acht Stunden geht´s gut, doch dann passiert etwas, und du mußt sofort da sein - 120prozentig".
Natürlich müssen sie auch genau wissen, was zu tun ist. Damit jeder Handgriff sitzt, kommen nur erfahrene Streckenposten zum Einsatz. Sie sind alle im Besitz einer Streckenpostenlizenz, haben ihren Job oftmals trainiert.
 
 
Erfahrung ist hilfreich
Alle in der Formel 1 tätigen Streckenposten haben sich zuvor schon bei anderen Rennsportveranstaltungen bewährt - bis zu 20mal im Jahr. "Die alten Hasen erkennen schon am Reifenquietschen und der Stellung der Vorderräder, ob es gut geht oder nicht", so Annette Sprengel, eine von rund einem Dutzend an der Streckensicherung beteiligten Frauen.
"Im ersten Moment weißt du gar nicht, wo ein Auto hinfliegt oder wieviele abgeflogen sind", so Schurig, "deshalb mußt du warten, bis sich der Staub gelegt hat". So lautet denn auch eine der goldenen Regeln für die freiwilligen Helfer: Ruhe bewahren. Ihre Arbeit ist Nervensache, voreiliges Handeln kann einen weiteren, womöglich schwereren Unfall verursachen.
Die Streckenposten haben, je nach Vorfall, einen harten Job. Eine langwierige Bergung oder ein falsches Flaggensignal kann sie in den Mittelpunkt der Kritik bringen. Zudem ist ihre Arbeit nicht ungefährlich.
Pierre Joray ist bereits seit 1972 Rennkommissar und war schon zigmal als F1-Streckenposten tätig. Mit 62 Jahren ist er ältestes Mitglied der sogenannten stationären Sicherheit.
Unvergessen bleibt ihm der Monaco-GP von 1988. "Damals war ich auf der Strecke, um einen Ölfleck zu beseitigen, als mich Ayrton Senna streifte." Die Gummiwalzen des McLaren-Honda hinterließen schwarze Spuren auf Jorays Overall. Verletzt wurde er glücklicherweise nicht.
Stolz berichtet der passionierte Streckenposten: "Senna kam zu mir, um sich zu entschuldigen. 'Ich würde den Job nicht machen', sagte er zu mir. Darauf ich: 'Aber ich. Dafür bin ich ja da.' "
Für die Helfer sind solche Momente Auszeichnung und Entschädigung zugleich, denn Geld läßt sich mit ihrem Job nicht verdienen. Obwohl in der Formel 1 mit Millionenbeträgen jongliert wird, arbeiten die Streckenposten - abgesehen von einer kleinen Aufwandsentschädigung - ehrenamtlich. Sie sind morgens die ersten und gehen abends oftmals als letzte.
 
 
Einsatz ist Ehrensache
Die Rennfahrer bekommen sie mittlerweile nur noch zu Gesicht, falls sie direkt vor ihren Füßen ausfallen. "Fürs Geld macht es keiner", so Werner Scholz, der in diesem Jahr sein 20jähriges Jubiläum als Streckenposten feierte, "aber so nah an die Strecke kommt sonst niemand".
Natürlich ist es ein Höhepunkt, wenn sich die Streckenposten auf dem TV-Bildschirm wiedererkennen. Zufrieden sind die Posten allerdings auch, "wenn der Job gut klappt", so Helfer Heiner Brunnert.
Daß der Spaß nicht zu kurz kommt, dafür sorgen gemeinsame Grillabende auf dem Campingplatz. Wegen der überteuerten Hotels übernachten die meisten Streckenposten im Zelt oder Wohnmobil. An der Strecke ist hingegen kein Platz für Späße: Jeder Posten ist videoüberwacht. So bleiben ihnen nur wenige Freiheiten.
Die blaue Flagge, Signal bei Überrundungen, wird nur auf Funkanweisung gezeigt. Und auch Bergemanöver mit den an den Kiesbetten postierten Traktoren oder ONS-Streckensicherungs- Fahrzeugen werden von der Rennleitung koordiniert.
Diese Funktionäre kontrollieren das Geschehen über zwei Dutzend Monitore. Von der Kommandozentrale aus läßt sich die komplette Strecke mittels schwenk- und zoombarer Kameras überblicken, jeder Streckenposten überwachen.
Die Arbeit der Posten beschränkt sich auf das Melden besonderer Vorkommnisse, das Bergen von Unfallfahrzeugen und die Streckensäuberung. Für die Bergung und Erstversorgung etwaiger Verletzter sind in der Formel 1 andere zuständig: Ärzte, Rettungssanitäter, auf die Fahrerbergung spezialisierte Teams sowie die Helfer der ONS-Sicherungsstaffel.
Um die paar hundert Helfer zu koordinieren, beginnt Bernd Berner, Leiter der Streckensicherung, bereits Monate vor dem Rennen mit der Ausarbeitung der Einsatzpläne. Akribie ist dabei eine Grundvoraussetzung, denn: "Man kann nie so dumm denken, wie es kommt." Und auch die Streckenposten bereiten sich nach dem Rennen wieder auf ihren nächstjährigen Einsatz vor. Für sie ist es Ehrensache, dann wieder dabeizusein.
Jörg Walz  
 

cron